Marmor, Eisen, 1993.

 

Auszug aus einer Eröffnungsrede vor Frau Dr. Ullrika Evers, anlässlich einer Ausstellung in der Galerie Burgdorf, 1998.

In der Figur verbindet Uwe Spiekermann zwei unterschiedliche Materialien, die miteinander im Wettstreit liegen, edel und verrostet, es handelt sich um einen Alterungsprozess der gewählten Materialien. Es sind glitzernder Marmor und Stahl mit rostiger Patina. Dadurch wird die Erwartungshaltung des Betrachters an die Ästhetik einer Bildhauerarbeit gestört, es entsteht ein Bruch, der Aufmerksamkeit und Nachfrage einfordert.
In der „Figur" zitiert Spiekermann die klassische Archäologie, die Kunst der Zykladen mit ihren abstrakten Idolen, die uns heute in ihrer Abstraktion wie der völlig zeitgenössisch erscheinen und die die moderne Kunstgeschichte sehr befruchtet haben (man denke an Brancusi). Aber sie sind einfach nur zeitlos. Spiekermann hat die Idol-Figur in drei Teile zerstückelt und an einer Stahlstange mit rostiger Patina aufgehängt, letztere wie in Anspielung auf unsere Zeit, in der Stahl durch Umwelteinflüsse sich sehr schnell verändert. Aber wir wissen auch, dass viele Künstler, die heute mit Stahl arbeiten (z.B. Serra oder Breuste) Wert auf eine solche Patina legen, die in ihrer ganz eigenen Materialität Schönheit und gleichzeitig Vergänglichkeit birgt. Die Zerstückelung der Idol-Figur deutet darauf hin, dass der Mensch heute in den seltensten Fällen noch „ganz" ist, eher ist er zerrissen, in die Einzelheiten seiner verschiedenen Begabungen aufgeteilt, die keine Einheit mehr bilden, er ruht nicht in sich selbst, während die frühen Idole hermetisch sind. In der „Figur" fällt die hervorragende, schön behauene Oberfläche des Marmors auf, in die Uwe Spiekermann seine ganze fachmännische Sorgfalt legt. Hier ist ein Meister der Technik am Werk, einer, der sein Handwerk versteht, weil er es von der Pike auf gelernt hat. Aber da ist noch viel mehr.

...Witz und Ironie, beides ganz subtil, sind Uwe Spiekermann in seiner Arbeit geläufig, denn er will mit seiner Kunst nicht lamentieren oder anklagen. Gerade heutzutage nicht, wo alle Welt auf Unterhaltung und „event" aus ist und Kunst nicht mehr belehrend wirken darf. Der „Tiefsinn" dieser Arbeiten ist sozusagen gut verpackt.