Marmokiesel, Edelstahl, 2000

 

Spiekermanns Werke setzen "stille Zeichen" - alles Extrovertiertes, Signalhafte oder auslachend Gestische ist ihnen fremd. Sie sind von großer Konzentration, ohne den Raum zu dominieren. Hier wird nicht gepredigt. Hier geht es nicht um fertige Antworten, Lehrsysteme, Dogmen, sondern um den Versuch, ein freies Zusammenspiel von Formen, Material und Ideen mit dem Betrachter in Gang zu bringen, Spuren der spirituellen Erfahrungen des Künstlers zu entdecken, eigene neue Erfahrungen zu machen, Ungewohntes zu denken, die Welt weit zu machen und sich der eigenen Religiosität bewusst zu werden.

Spiekermann setzt dem Abendmahlsbild unterhalb der Kanzel eine klare einfache Konstruktion entgegen. Er nimmt den oberen Bogen de Bildes in seiner Skulptur auf, in einem Edelstahlbügel, auf dem weiße Steine aufgefädelt sind und ermöglicht einen Durchblick zum Altar. Ein Bogen, eine Linie. Darunter ist ein elliptisches Feld mit kleineren Kieselsteinen. Ein Meditationsfeld. Ein Ort des Versammelns, der Leere und des Empfangens. Es erinnert an die Sand- und Steingärten des Zen-Buddhismus. Dieser buddhistischen Meditationstechnik, die auch von vielen Christen geübt wird, geht es um die Befreiung des Geistes aus der Versklavung durch Vernunft und Logik und will einen Weg zur Erleuchtung öffnen. Durch Zurückdrängung aller in Worte und Bilder gefassten Meinungen versucht der Zen-Weg näher an die nicht denkbare und nicht ausdrückbare Wirklichkeit heranzukommen.

Stein und Stahl erinnern an eine ehemalige Verbindung. Eisen wurde aus dem Stein geschmolzen und zu Stahl geschmiedet. Sie stehen für unterschiedliche Bereiche unserer Wirklichkeit: der Stein als urwüchsig Naturhaftes und der Stahl als Überwindung durch Technik. Der Stein verweist aus Archaisches, Gewachsenes, der Stahl auf Geformtes, Gestaltetes. Beides aber durchdringt sich, umfasst sich, trägt sich und erträgt sich. Beide sind langlebig, aber nicht unvergänglich, auch sie sind dem Zahn der Zeit ausgesetzt, dem Prozess der Erosion, dem Vergehen ausgeliefert.
Mit fällt das Gedicht zu Brecht ein: von Laotse: Da frage der Mann: Hat er was raugekriegt? Sprach der Knabe: "Dass das weiche Wasser in Bewegung mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt. Da verstehst, das Harte unterliegt". Dem stimme ich zu. Es geht um den Menschen, seine Individualität, seine unverwechselbare Persönlichkeit und seine Sinne.

Auszug aus der Eröffnungsrede der Ausstellung "Gesichter der Zeiten", am 8. September 2000, in der St. Pankratius in Burgdorf. Von Klaus Hoffmann, Pastor und ehm. Leiter der Medienzentrale im Amt für Gemeindedienst in Hannover.